Neuer Band "Flechten im Nationalpark Harz" erschienen
Nach langer Zeit, gefüllt mit der akribischen Arbeit vieler Experten, ist ein neues
Werk aus der Schriftenreihe des Nationalparks Harz erschienen.
Es handelt sich um den mittlerweile 16. Band und beschäftigt sich mit den Flechten im Nationalpark Harz.
Über 20 Jahre arbeiteten die Autoren und Mitstreiter im Gelände, Labor und Schreibtisch an der kommentierten Liste der von der Öffentlichkeit meist wenig beachteten Lebensform. Das Ergebnis ist nicht nur eine Zusammenstellung der 582 gefundenen Flechtenarten.
Aus dem Inhalt:
Flechten machen neben vielen anderen Artengruppen (z. B. Moose, Farne, Pilze, Insekten) einen hohen Anteil der Artenvielfalt unserer Umwelt aus.
Flechten sind bekannt als wichtige Bioindikatoren. Treten sie noch zahlreich auf, geht man von einem guten Zustand der Ökosysteme, vor allem hinsichtlich der Luftqualität aus. Der Harz und seine Vorländer sind für die Flechtenflora in Sachsen-Anhalt sehr bedeutsam. Im Harz spielten beim Aussterben verschiedener Flechtenarten sicher schon lokale Umweltbelastungen durch die zahlreichen Schmelzhütten in früheren Jahrhunderten eine Rolle. Vor allem aber die Schadstoffbelastungen ab dem 20. Jahrhundert durch Schwefeldioxid- und Stickstoffeinträge ließen den Flechtenreichtum insgesamt stark zurückgehen. Eine weitere Ursache für den Rückgang der Artengruppe ist die Waldvernichtung bzw. die Änderung der Waldnutzung. Flechten brauchen vor allem die Alters- und Zerfallsphasen der Wälder. Diese fehlen jedoch in wirtschaftlich genutzten Forsten mit ihren kurzen Umtriebszeiten völlig.
Nach einer kurzen Übersicht über den Naturraum des Nationalparks Harz werden zunächst die verschiedenen Lebensräume der Flechten im Schutzgebiet vorgestellt. In den Wäldern spielt vor allem der Anteil alter Baumbestände und an den verschiedenen Formen des Totholzes eine große Rolle. Wobei Letzteres nicht im Geringsten so tot ist, wie es sein Name sagt. Wichtige Lebensräume für die Flechten sind Alleen und Solitärbäume, insbesondere an Waldrändern. Ihnen sollte besonderer Schutz zuteilwerden. Extrem seltene Arten wurden an ihnen nachgewiesen. Neben den Bäumen stellen die Klippen, Blockfelder und Schutthalden Refugien für die Flechtenflora dar. Nicht zu vergessen sind außerdem als Lebensräume für Flechten die Bergwiesen, Heiden und Magerrasen sowie die Schlackehalden, Moore, Fließgewässer sowie unbewachsener Boden. Selbst alte Weidepfähle (natürlich aus Holz) sind ein unverzichtbarer Lebensraum für Flechten.
Erste Kenntnisse über Flechten im Gebiet stammen bereits aus dem 16. Jahrhundert. Kapitel 4 des Bandes gibt einen Abriss über die weitere Geschichte der Erforschung der Flechten im Harz. Besondere Bedeutung kam der Arbeit des Architekten und Lichenologen Hans Ullrich zu diesem Thema zu. Er gab den entscheidenden Anstoß zur Bearbeitung der Flechten im Nationalpark Harz. In Würdigung seiner 50jährigen Arbeit wurde ihm der neue Band als Pionier des Flechtenschutzes im Harz gewidmet.
Mit den fast 600 nachgewiesenen Arten gilt der Nationalpark als flechtenreich. Flechtenreiche naturnahe Waldbilder sind heute im Nationalpark noch selten. Meist beschränken sich die Vorkommen auf schwer zugängliche Gebiete, Alleen und Einzelbäume. Ausgehend von diesen Reliktvorkommen wird es vor allem Zeit brauchen, bis die Flechten wieder zahlreicher die Wälder im Nationalpark Harz zurückerobern.
Autoren: Dr. Hans-Ulrich Kison und André Seelemann, Pawel Czarnota, Katarina Ungethüm, Ulf Schiefelbein und Udo Hammelsbeck.
Der Band ist bei der Nationalparkverwaltung zu beziehen.
Kosten: 15,- € zzgl. Versandkosten
Kontakt: Tel.: +49 3943 5502-0 oder per E-Mail an poststelle@npharz.sachsen-anhalt.de
Pflanze oder Pilz? Sie leben extrem. Als besondere Lebewesen sind Flechten in der Lage unwirtlichste Lebensräume und Standorte zu besiedeln. Der Grund: Flechten sind eine außergewöhnliche Lebensgemeinschaft von mindestens einem Pilz und einem Partner, der zur Photosynthese befähigt ist (Grünalgen, Blaualgen = Photobiont). Die Algen können Kohlenhydrate produzieren. Der Pilz bildet den Körper und schützt mit einem Fadengeflecht die Algenzellen vor Austrocknung und Tierfraß. Quellen: V. Wirth/ U. Kirschbaum: Flechten einfach bestimmen |