Bergwiesenwanderung 02/2011
20.06.2011 00:32 ( 6345 x gelesen )
„Schäferstündchen“ auf frischgewaschenen Bergwiesen
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge beobachten wir am 19.06.2011 den Himmel über Benneckenstein. Dichte Wolken türmen sich immer wieder auf. Einerseits sind wir froh, dass es nach der monatelangen Trockenheit endlich regnet. Die Wiesen haben das Nass dringend nötig. Andererseits haben wir heute zu einer Wanderung über die Bergwiesen eingeladen und dafür wäre ein kleines Wolkenloch für 2 Stunden nicht schlecht.
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13:45 Uhr, Waldschneise in Benneckenstein: Wir staunen nicht schlecht, denn 30 Bergwiesenfreunde möchten mit uns die schönen Aussichten am Pfeiferberg entdecken. Es regnet gerade nicht und wir machen uns schnell auf den Weg. Am ersten Halt zeigt uns Sylvia Lehnert Feuchtwiesen mit einer wunderbaren Artenausstattung wie man sie sich nicht besser wünschen kann. Wir sehen die typischen Pflanzenarten der Harzer Bergwiesen und staunen über das schöne Hintergrundpanorama mit Wurmberg, Brocken und Hohnekamm. Bald haben wir den Pfeiferberg erreicht. Hier erwartet uns der Namensgeber für unsere heutige Wanderung – Schäfermeister Helmut Koth mit einem Teil seiner Schafherde. Seit 1966 arbeitet er in seinem Traumberuf. Sein Lebensweg hat ihn letztendlich nach Benneckenstein geführt. Von Mitte Mai bis Oktober weiden seine „Damen“ südlich von Benneckenstein auf den würzigen Bergwiesen. Sein Winterquartier liegt am Harzrand in Heimburg und jedes Jahr legen der Schäfer und seine Herde die Strecke in den Harz und nach Hause zu Fuß zurück. Die Lämmer genießen noch den Komfort des Transports. Eine halbe Stunde beantwortet Helmut Koth Fragen zu seiner Arbeit und seinem Leben im Harz.
Hauptsächlich ist es die Landschaftspflege, die seinen Arbeitsrhythmus bestimmt. Im Sommer muss außerdem das Heu für die Winterfütterung gewonnen werden. Es sind lange und oft einsame Arbeitstage für den Schäfermeister. Trotzdem kann er sich nichts anderes vorstellen. Nicht nur ein bisschen Wehmut hören wir heraus, wenn er erzählt, dass er heute kaum noch dazu kommt, seinen Beruf traditionell auszuüben. Es hat mittlerweile fast den Anschein, als ob der Beruf des Schäfers auch bald auf eine „Rote Liste“ gehört. Nicht nur für den Erhalt die Bergwiesen des Harzes brauchen wir aber dringend genügend Nutztiere wie Rinder und Schafe, die in der Region extensiv gehalten werden. Nur wenn die Bergwiesen ihre ursprüngliche Aufgabe - Futterlieferant für Tiere zu sein – erfüllen, können sie dauerhaft erhalten werden.
Weiter geht es zu den nährstoffärmsten Wiesentypen, den Borstgrasrasen. Kärglich sehen die Gräser und Pflanzen aus, die hier wachsen. Früher waren sie weit verbreitet. Heute sind sie sind in ihrem Bestand europaweit gefährdet und daher unter Schutz gestellt. Oft wurden sie aufgeforstet oder die Nutzung aufgegeben. Die Borstgrasrasen sind Heimat für viele geschützte und seltene Pflanzenarten. So hat z. B. die Arnika hier ihren Lebensraum. Wir freuen uns über jedes Exemplar dieser schönen Pflanze. Nicht nur die fehlenden geeigneten Lebensräume, auch der Mensch als Sammler gefährdet ihren Bestand!
Nun hat uns der nächste ergiebige Schauer doch erwischt. Doch unser Angebot, die Wanderung abzubrechen, stößt auf wenig Gegenliebe. Nein, die meisten wollen das Bergwiesenerlebnis weiter genießen. Schirme werden aufgespannt, Regencapes übergezogen und weiter geht’s! Wir sehen die für Benneckenstein typischen „Grenzhügel“ an den Flurstücksgrenzen und die schmalen Wiesenterrassen an den steileren Hängen, lernen den Kleinen Klappertopf kennen und passieren noch einmal die Schafherde von Schäfer Koth. Die ersten blühenden Johanniskräuter und Perücken-Flockenblumen läuten den Hochsommer ein. Mittlerweile ist es doch sehr ungemütlich geworden und wir laufen etwas schneller wieder die Anhöhe des Pfeiferbergs hinauf. Auf der Waldschneise sind noch deutlich die Brandstellen der traditionellen Pfingstfeuer zu erkennen. Hier beenden wir unsere Führung. Wer möchte, kann sie gern individuell nachwandern. Im botanischen Wanderführer „Harzer Pflanzenwelt erleben“ ist sie ausführlich als Teil der Wanderung „Bergwiesen bei Benneckenstein“ beschrieben (hier erhältlich).
Vielen Dank für die freundlichen Spenden!
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Versprochener Nachtrag:
Lieber Bergwiesenfreund aus Benneckenstein: Das Kreuzblütengewächs vom Kirchberg wurde von Frau Lehnert genau bestimmt. Es ist Loesels Rauke (Sisymbrium loeselii).
Es handelt sich um einen weit verbreiteten Neubürger. Die Pflanze ist ein- bis zweijährig. Sie siedelt oft gesellig in lückigen Unkrautfluren, an Schutt- und Müllplätzen, auf Mauern, an Wegen und Dämmen, auf nährstoffreichen Böden. Als Pionierpflanze bevorzugt sie Licht- und Sommerwärme.
Frau Carla Lieberasch aus Wernigerode hat übrigens über unsere Wanderung einen Artikel in der Neuen Wernigeröder Zeitung verfasst, den Sie hier lesen können.