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Ackerwildkräuter


Schutzacker bei Westerhausen mit Acker-Rittersporn und Klatschmohn

„Unkraut vergeht nicht!“ sagt der Volksmund. Mit der sprichwörtlichen Unverwüstlichkeit der meisten „Un“kräuter ist es heute vorbei. Diese Arten gehörten mittlerweile zu den bedrohtesten Pflanzengruppen in Mitteleuropa!

Schädlich oder nützlich?

Sind die Begleiter der Kulturfrüchte schädliche Konkurrenten oder nützliche Schönheiten?
Wie immer liegt die Wahrheit wohl in der Mitte. Vielleicht hilft folgendes Gedicht von Julius Sturm, einem sächsischen Heimatdichter des 19. Jahrhunderts, bei der Beantwortung dieser Frage: 
Der Bauer und sein Kind

Naturschutz auf dem Acker?

Im Blickpunkt der Naturschützer sind meist seltene oder bedrohte Arten, die ihren Lebensraum im Wald, Wasser oder auf Wiesen und Weiden haben. Ein Blick vor die Haustür zeigt, dass die Kulturlandschaft in Sachsen-Anhalt von intensiv bewirtschafteten Äckern geprägt ist. Über 60 % der Fläche Sachsen-Anhalts werden landwirtschaftlich genutzt (Mittel von Deutschland 52 %). Etwa 85 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche sind Ackerland, nur 14 % entfallen auf das Grün-land. In den Landkreisen Harz und Mansfeld-Südharz ist der Ackeranteil mit über 88 % noch höher als im Landesdurchschnitt. Grund genug, auch auf normalen Feldern unserer Umgebung genauer hinzuschauen.

Buntblühende Felder sind ein Bild aus vergangenen Tagen. Lediglich auf Kalenderblättern oder Postkarten symbolisieren Getreideäcker mit Klatschmohn und Kornblume die Sommermonate. Von den meisten Menschen unbemerkt verschwindet seit dem Beginn der Intensivierung der Landwirtschaft in der Mitte des 20. Jahrhunderts ein Element unserer Kulturlandschaft – die Begleitflora unserer Kulturpflanzen. Der Acker von heute ist einförmig monoton und vor allem fast unkrautfrei. Nur wenige Problemunkräuter trotzen der perfektionierten Bekämpfung der Konkurrenten der Kulturart. Von biologischer Vielfalt der Agrarlandschaft kann hier keine Rede sein. Reste der ehemals reichen Begleitflora findet man nur noch stellenweise in den Randbereichen bewirtschafteter Äcker.

      Acker-Rittersporn (Consolida regalis)     Sommer-Adonisröschen (Adonis aestivalis)   Kalkscherbenacker
   
   Acker-Rittersporn                                    Sommer-Adonisröschen                           Buntblühender Schutzacker

                 
      Rundblättriges Hasenohr                         Acker-Gauchheil                                        Acker-Gelbstern

Ackerbau hat in Mitteleuropa seit tausenden Jahren Tradition. Mit den Kulturpflanzen kamen auch ihre Begleitpflanzen in unsere Region. Seitdem sind sie ein wichtiger Bestandteil der Lebensgemeinschaften auf den Feldern. Unter der Intensivierung des Ackerbaus seit den 1950ern Jahren haben vor allem Pflanzen mit den Verbreitungsschwerpunkten Äcker, Weinbergen und Gärten extrem zu leiden. Chemische Unkrautbekämpfung, intensive Düngung, die schnelle Entwicklung dichter Bestände geben den Begleitpflanzen kaum eine Chance. Acker-Rittersporn, Kornrade oder Sommer-Adonisröschen sind nur wenige Beispiele für selten gewordene Arten. Wer kennt heute noch Lämmersalat oder Venuskamm?

Grenzertragsstandorte haben Potential

Aus den 1950er Jahren stammen auch die ersten Forderungen nach gezielten Schutzmaßnahmen für die „Un“kräuter. 1984 wurden in der DDR durch die „Arbeitsgruppe Ackerwildpflanzenschutz“ an der Martin-Luther-Universität Halle 25 Feldflorenreservate zum Schutz der Ackerwildkräuter eingerichtet. 2004 wurde erneut auf den dringend notwendigen nachhaltigen Schutz der gefährdeten Pflanzengruppe aufmerksam gemacht. Ackerwildkräuter sind auf eine förderliche landwirtschaftliche Nutzung angewiesen. Stilllegungen, Brachfallen oder die Umwandlung in Grünland vernichten vor allem ihre Lebensräume auf Grenzertragsstandorten. Seit 2007 bemühen sich Naturschützer im Rahmen des Projektes „100 Äcker für die Vielfalt“ deutschlandweit um die Einrichtung von Schutzäckern. Ziel ist die Erhaltung extensiv bewirtschafteter Ackerflächen mit ihrer charakteristischen Vegetation.

Mut zur Lücke!

Ein Beispiel für einen solchen Schutzacker findet sich im nördlichen Harzvorland. Bei Börnecke und Westerhausen wurde auf einem sogenannten „Kalkscherbenacker“ die Bewirtschaftung auf eine extensive Form umgestellt. Unter der Federführung der Landgesellschaft Sachsen-Anhalts begleitet der Landschaftspflegeverband Harz e. V. seit 2011 die Bewirtschaftung und dokumentiert die Entwicklung der Pflanzengesellschaften. Deutlich hebt sich das Feld von den intensiv bewirtschafteten Äckern der Umgebung ab. Die Pflanzen stehen hier nicht so dicht beieinander und geben so den lichtliebenden einjährigen Pflanzen eine Chance zum Wachsen und Gedeihen. Auf mineralische Düngung und den Einsatz von Herbiziden wird verzichtet. Besonders eindrucksvoll ist der wunderschöne Blühaspekt des stahlblauen Acker-Rittersporns. Eine Vielzahl bedrohter Arten ist hier beständig anzutreffen. Von der besonderen Bewirtschaftung profitieren auch Insekten, Vögel und andere Tiere. Ein positives Beispiel für praktikablen Naturschutz auf dem Acker. Hoffen wir, dass es Schule macht. Dann besteht die Chance, dass auch künftige Generationen eine artenreiche und vielfältige Kulturlandschaft erleben und nutzen können.

Ökopool-Projekt Schutzacker

Kalkscherbenacker

. . .  entsteht auf Kalkverwitterungsböden

. . .  ist flachgründig und skelettreich

. . .  kommt in trocken-warmen Lagen des Hügel- und Berglandes vor

Durch die Bodenbearbeitung dieser flachgründigen Böden  werden immer wieder Steine hochgepflügt, die als "Scherben" oben auf liegen. Bei extensiver Bewirtschaftung sind sie ein wertvoller Lebensraum für eine Vielzahl seltener und vom Aussterben bedrohter Pflanzenarten.

 

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